Forschungsprojekte

In den letzten Jahren ist der Aufstieg rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien, Politiker, Bewegungen und Gruppen zu einem allgegenwärtigen Phänomen geworden. Mit ihm verbreiten sich rechtsextreme Diskurse, Vorstellungen, Einstellungen und Ressentiments. In Europa, den USA, Brasilien und Indien dringen rechtsextreme Ideen – manchmal mit, manchmal ohne Verbindung zum Populismus – in die demokratische Öffentlichkeit ein und beeinflussen Politik und Gesellschaft massiv. Rechtsextreme Ideologien stellen zentrale demokratische Grundsätze wie Pluralität, Gleichheit und Menschenrechte in Frage. Sie stehen in der Regel außerhalb der Demokratie und stoßen in der demokratischen Öffentlichkeit auf starken Widerstand. Mit dem Aufkommen des Rechtspopulismus im neuen Jahrtausend wurde rechtsextremes Denken jedoch immer normaler. Rechtspopulisten und Rechtsextremisten haben wichtige Funktionen als Oppositionsparteien oder sogar in der Regierung übernommen. Diese Normalisierung der extremen Rechten stellt eine Herausforderung für die Demokratie dar, da sie die Wahrnehmung dessen, was demokratisch akzeptabel ist und was als „normal“ gilt, verändert – die weite Verbreitung rassistischer und sexistischer Äußerungen ist ein gutes Beispiel dafür.

Wie werden antidemokratische Ideen, Vorstellungen, Einstellungen, soziale Praktiken und darauf fußende Politik gesellschaftsfähig und wie wirken sie sich auf die Identitätsbildung aus? Gibt es gemeinsame Normalisierungsmechanismen, die alle diese Aspekte des gesellschaftlichen Lebens durchdringen? Sind sie in verschiedenen Bereichen von Politik und Gesellschaft wie politischer Kommunikation, Medien, Kultur, Recht, etc. in gleicher Weise präsent? Und welche Widerstandsstrategien gibt es gegen diese Normalisierung in Politik und Zivilgesellschaft? Ziel dieser Kooperationsgruppe ist es, die Mechanismen der Verbreitung und Normalisierung rechtsextremen Denkens aufzudecken und zu zeigen, wie sich die Grenzen des Normalen durch die Transformation des Sagbaren und Machbaren in der Demokratie verschieben. Das Projekt widmet sich nicht der Erforschung des Extremismus, sondern der Ausbreitung rechtsextremer Ideologie im öffentlichen Raum. Diese Kooperationsgruppe nimmt daher eine interdisziplinäre Perspektive ein und arbeitet mit internationalen Vergleichen. Unser Ziel ist es, den Dialog zwischen internationalen Wissenschaftler*innen aus den Bereichen Soziologie, Politikwissenschaft, Recht, Geschichte, Medien und Kulturwissenschaften zu fördern. Wir werden uns auf die Mechanismen der Normalisierung der extremen Rechten und ihre Auswirkungen auf die politische Kultur und die Institutionen konzentrieren und auch die demokratische Widerstandsfähigkeit und den Widerstand in Politik und Zivilgesellschaft analysieren.

Seit dem Beginn der Pandemie hat sich die Dynamik der Normalisierung der extremen Rechten erheblich verändert und wird sich wahrscheinlich weiter verändern. Diese neuen Dynamiken sind nicht überall gleich. Victor Órban in Ungarn und Jair Bolsonaro in Brasilien haben zum Beispiel beide sehr unterschiedliche Strategien und Narrative angesichts von Covid-19 entwickelt. Außerdem schließen sich weltweit immer mehr rechtsextreme Gruppen den „Anti-Covid“-Protesten an. Auch solche Dynamiken und Situationen werden im Rahmen des Projekts analysiert ebenso wie die Radikalisierung der extremen Rechten im öffentlichen Raum nach dem Sturm von Trump-Anhängern auf das US-Kapitol. Diese Ereignisse wurden rund um den Globus stark rezipiert und dürften Auswirkungen auf die Normalisierung der extremen Rechten weltweit haben.